Offener Brief zum Global Digital Compact„Es gibt keine zentrale Kontrollstelle im Internet“

Der Global Digital Compact soll die Regulierung des Internets auf internationaler Ebene neu regeln. Schon der erste Entwurf des Abkommens stieß in der Zivilgesellschaft auf Kritik. Nun warnen namhafte Entwickler:innen vor einer Zentralisierung des Netzes.

Ein Geflecht aus grünen Seilen vor rotem Hintergrund
Ein Netzwerk braucht kein Zentrum – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Clint Adair

Am 22. September beginnt in New York City der Summit of the Future. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen entscheiden dann auch über die Frage, wie künftig das Internet reguliert wird. Die Leitlinien dafür soll der Global Digital Compact (GDC) vorgeben, der seit zwei Jahren auf zwischenstaatlicher Ebene diskutiert wird.

Einen Ende Mai veröffentlichten Entwurf des GDC hatten zivilgesellschaftliche Organisationen erheblich kritisiert. Nun melden sich rund 40 namhafte Entwickler:innen der Internet Engineering Task Force und des W3C zu Wort. In einem offenen Brief warnen sie vor einer drohenden Zentralisierung der Internetregulierung zulasten der Zivilgesellschaft.

Die Bedeutung der technischen Community

Am 26. Juni haben die Verhandlungsführer aus Sambia und Schweden eine aktualisierte Fassung des geplanten GDC veröffentlicht. Darin wird zwar ausdrücklich die Bedeutung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen bei der Regulierung des Internets betont. Dazu gehören „der Privatsektor, die Zivilgesellschaft, internationale und regionale Organisationen sowie die technische und akademische Gemeinschaft“.

Dennoch sehen die Unterzeichnenden den aus ihrer Sicht bewährten Stakeholder-Prozess weiterhin als bedroht an. Allen voran die Internet Engineering Task Force (IETF) und das World Wide Web Consortium (W3C)⁠ hätten dafür gesorgt, dass sich ein interoperables Internet herausbilden konnte. Beide Gremien zeichneten sich durch eine offene und konsensorierentierte „Bottom-up“-Arbeitsweise aus.

Die Gefahr einer Zentralisierung

Dass das Internet über keine zentrale Kontrollinstanz verfüge, sei so gewollt, schreiben die Entwickler:innen weiter. Der GDC-Entwurf enthalte allerdings Vorschläge, die zu einer solchen Zentralisierung führen könnten. Diese Entwicklung hätte nicht nur negative Folgen für das Internet und das World Wide Web, sondern für Volkswirtschaften und Gesellschaften weltweit.

Schon die Verhandlungen zum GDC erfolgten weitgehend zwischen Vertreter:innen der UN-Mitgliedstaaten. Die technische Community und die Zivilgesellschaft seien hingegen nur am Rande in die Verhandlungen eingebunden worden.

Der offene Brief appelliert an UN-Generalsekretär António Guterres und seinen Sondergesandten für Technologie, Amandeep Singh Gill. Sie sollen dafür sorgen, „dass die Vorschläge zur digitalen Governance vereinbar bleiben mit jener äußerst erfolgreichen Praxis der Internet-Governance unter Einbeziehung vieler Interessengruppen, die uns das heutige Internet beschert hat.“

„Eine offene, freie und sichere Zukunft für alle“

Der GDC geht auf eine Initiative von Guterres zurück. Im September 2021 veröffentlichte der UN-Generalsekretär den Bericht „Our Commons Agenda“, in dem er unter anderem für den GDC wirbt.

In der ersten Jahreshälfte 2023 fanden weltweit Konsultationen statt, an denen Regierungen und verschiedene Interessengruppen teilnahmen. Dabei ging es unter anderem um Themen wie digitale Inklusion, Datenschutz, Sicherheit und KI. Bereits im Vorfeld hatten Vertreter:innen die Befürchtung geäußert, dass der GDC diese offene und interoperable Struktur des Internets gefährden könnte.

Laut aktuellem Entwurf strebt der GDC „eine offene, freie und sichere Zukunft für alle“ an. Dazu sieht er unter anderem neue Regeln für die Verwaltung des Internets vor. Er steht damit im Einklang mit und zugleich teilweise im Widerspruch zum Net Mundial+10, dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS+20) und dem Internet Governance Forum (IGF). Diese Institutionen befassen sich ebenfalls mit der Zukunft des Netzes.

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